Stellungnahme zur Verkehrsprognose

Ausschnitt aus einem Plan der Verkehrsprognose

Abbildung 1: Ausschnitt aus der Verkehrsprognose Belastungsplan Werktäglicher Gesamtverkehr Basis-Nullfall in 100 Kfz/24h 

Besten Dank an Stefan Wammertsberger vom Ingenieurbüro Koehler & Leutwein für die Vorstellung der Verkehrszählung und der Verkehrsprognose. Überraschend war, dass Herr Bohner vom Landratsamt ankündigte, die für 30.000 Euro Steuergelder erstellte Studie als nächsten Schritt in den Papierkorb zu werfen …

Landkreis scheitert mit Planung der K3575 Schnellstraße

Der Landkreis Karlsruhe hat eingestanden, dass seine Planung für die Umgehungsstraße K3575 nicht realisierbar ist. Hunderttausende Euro an Steuergeldern wurden von 1999 bis 2016 für die Planung ausgegeben. Das Regierungspräsidium Karlsruhe hatte auf eine ganze Reihe an schwerwiegenden Mängeln für die bisherige Trasse hingewiesen. Diese Mängel blieben bei einer Neuplanung mit der gleichen Trasse natürlich erhalten. Damit lagen die über 400 Einwender, was die Kritikpunkte zur Planung betraf, richtig. Landrat Christoph Schnaudigel würde am liebsten das Kapitel K3575 abschliessen. Der Kreistag mehrheitlich aber nicht.

Die Planung fängt also wieder bei Null an! Das ist für die Anwohner der B3 nicht erfreulich. Hier zeigt sich, wie sinnvoll es von Bürgermeister Klaus Detlev Huge war, auf Maßnahmen zu setzen, die kurzfristig umsetzbar sind und Wirkung zeigen, wie z.B. Tempo 30 in den Ortsdurchfahrten Mingolsheim und Langenbrücken sowie das LKW-Durchfahrtverbot in Langenbrücken.

Ein großer Dank gilt auch allen Einwohnern, die mit der S-Bahn, dem Bus, dem Fahrrad, zu Fuß oder als Mitfahrer unterwegs sind. Sie verzichten darauf, mit dem eigenen Auto zu fahren. Das sind täglich tausende von Fahrten, die unsere Straßen von Lärm und Abgasen entlasten.

Wie sieht die Welt aus, für die diese Straße dann in vermutlich 10-15 Jahren in Betrieb gehen würde?

2030: Die Auto-Welt wird eine andere sein

Vor 15 Jahren hat sich keiner vorstellen können, dass ein Unternehmen ohne Fahrzeuge zu besitzen, zum starken Mobilitätdienstleister wird, schon mal von „Uber“ gehört? Vor 15 Jahren hat sich keiner vorstellen können, dass ein Unternehmen ohne Gästebetten zu besitzen, mehr Gästebuchungen vornimmt als die grösste Hotelketten der Welt, schon einmal von „AirBnB“ gehört? Vor 15 Jahren hat sich keiner vorstellen können, dass Jugendliche es cool finden, wenn sich ihre Eltern für 1000 Euro ein Elektro-Fahrzeug vorbestellen, dass es noch gar nicht gibt, schon einmal von „Tesla“ gehört? Die Welt ändert sich rasant. Und sie wird sich in den nächsten 15 Jahren noch schneller verändern.

In den Prognosen der Verkehrsplaner bleibt dagegen alles linear. Die Motor-Welt von heute wird einfach auf die Zukunft hochgerechnet und gut ist. Das deckt sich schon ‚mal nicht mit den Produktstrategien der Autobauer wie Audi, Mercedes oder VW, die alle mit einem deutlich höheren Anteil an Elektro- und Hybridantrieben planen. Ganz zu schweigen von den neuen Geschäftsmodellen der Shared Economy. „Null Abgase – Null Unfälle — Null Eigentum“, das ist die Mobilitätswelt des Jahres 2030: Leise Fahrzeuge ohne Abgase, selbstfahrende Fahrzeuge mit fast keinen Unfällen, Mobilitätsdienstleistungen statt Auto als Kaufprodukt. Die Verkehrswende wird kommen und die Grünen stehen für Innovationen.

Geringer Durchgangsverkehr und viel weniger Schwerverkehr

Wir begrüssen, dass Stefan Wammetsberger, der Verkehrsgutachter von Koehler & Leutwein, im März 2015 „umfangreiche Verkehrserhebungen“ vorgenommen hat. Dies wurde zuvor seit 1985 nicht mehr gemacht. Die Zahlen unterscheiden sich daher teilweise deutlich von den bisherigen Werten, u.a. weil der Binnenverkehr jetzt berücksichtigt wird, d.h. z.B. Fahrten von Langenbrücken nach Mingolsheim oder innerhalb der Ortsteile. In den Zahlen des früheren Gutachters Bauer war der Binnenverkehr nicht berücksichtigt!

Die Verkehrserhebung hat gezeigt, dass der Durchgangsverkehr weit geringer ist, als bisher von vielen vermutet: 11 bis 15%. Wie viele aus CDU und Freien Wählern wollten uns bisher weis machen, dass 80% des Verkehrs Durchgangsverkehr seien? Allein diese Zahl zeigt, dass wir bei der K3575 nicht von einer Ortsumgehung sprechen können. Die große Mehrheit des Verkehrs ist hausgemacht: Ziel-, Quell- oder Binnenverkehr aus Mingolsheim, Langenbrücken oder Kronau.

Daher wird es im besten Fall so sein, dass die am stärksten belasteten B3-Anwohner in Mingolsheim am Ortsausgang Nord, in Zukunft mit der Umgehung den Verkehr haben werden, den heute die am stärksten belasteten B3-Anwohner in Langenbrücken Ortsausgang Nord haben. In der verkehrsstärksten Stunde wird statt alle 2 Sekunden, neu alle 3 Sekunden ein Fahrzeug vor der Haustür vorbeifahren. Und das im besten Fall, wenn das Modell des Gutachters tatsächlich richtig ist. Und dafür wollen wir mindestens 40 Millionen Euro ausgeben? Interessant ist auch, dass im Verkehrsgutachten von Koehler & Leutwein ein bisher unbekanntes Straßennetz in Langenbrücken-West benutzt wird (siehe Abbildung 1)Das ist schlicht unseriös.

Die vom Verkehrsgutachter prognostizierten Mengen an Schwerverkehr sind ebenfalls deutlich geringer als bisher in der Planung vorgesehen: Die Hälfte in Mingolsheim, nur ein Drittel in Langenbrücken. D.h. alle Gutachten, die auf diese Zahlen aufbauten, sind hinfällig. Wobei der Planer noch nicht mal berücksichtigt, dass ein LKW-Durchfahrtverbot bereits heute in Langenbrücken existiert.

Die folgenden Abbildungen zeigen zwei „Prognosen“ des bisherigen Verkehrsplaners Bauer im Vergleich zu Werten, die uns der Verkehrsplaner Wammetsberger am Montag vorgestellt hat. Herr Bohner vom Amt für Straßen hat der Grünen Liste gestern Abend vorgehalten, wir sollten uns nicht mit Unterschieden drei Stellen nach dem Komma befassen. Wir haben nachgeschaut: die beiden Abbildungen zeigen die neuen Werte in schwarz bei einer Abweichung von bis zu +/-10%, in gelb bei einer Abweichung von bis zu +/- 40% und rot bei höherer Abweichung. Es zeigt sich, dass bei der bisherigen Planung der Null-Fall (d.h. ohne Umgehung) drastisch zu hoch gerechnet wurde (siehe Abbildung 3) und die Entlastung durch die Umgehung drastisch übertrieben wurde (siehe Abbildung 2). Die jetzt vorgestellte Prognose von Koehler & Leutwein zeigt, dass das Verkehrsgutachten Bauer völlig überholt ist. Allein diese Tatsache verlangt nach einer weitergehenden Beratung im AUT. Ob sich beim nächsten Mal die Gemeinderäte von CDU und Freien Wählern mit zumindest einer Frage an den Verkehrsplaner richten?

 

Vergleich 2025 Bauer mit 2030 Koehler Null-Fall

Abbildung 2: Vergleich der Prognose 2025 von Bauer mit der Prognose 2030 von Koehler & Leutwein. Die Entlastungswirkung für Mingolsheim und Langenbrücken wurden bisher drastisch übertrieben.

K3575 2025 Bauer 2030 Koehler Schwerverkehr Nullfall

 

Abbildung 3: Vergleich der Prognose von 2025 von Bauer mit der Prognose von 2030 von Koehler & Leutwein. Die Zahlen für den Schwerverkehr ohne Umgehung wurden bisher drastisch übertrieben.

Die prognostizierten Entlastungswirkungen innerorts sind zudem nur erreichbar, wenn begleitende verkehrsberuhigende Maßnahmen in den beiden Ortsdurchfahrten stattfinden. Auf Rückfrage wurde klargestellt, dass diese Maßnahmen nicht Bestandteil des Verfahrens sind. Somit sind diese Maßnahmen parallel und separat zu planen und zu finanzieren, was nichts anderes als einen erheblichen, zusätzlichen Aufwand bedeutet, der bisher weder geplant noch quantifiziert ist. Somit ist es auch unredlich damit zu argumentieren, zumal im bisherigen Verkehrsgutachten Bauer keine derartigen Maßnahmen vorgesehen waren. Ebenso ist unklar, wer diese Kosten zu tragen hat. Auch hier hat Herr Bohner vom Amt für Straßen für Kopfschütteln gesorgt, als er ausdrücklich betonte, dass er nicht mit der Umsetzung der restriktiven Maßnahmen rechne (sic!). 

Finanzierbarkeit ungewiss

Der Landkreis gibt selbst zu, dass das Vorhaben möglicherweise zu 100% vom Landkreis zu finanzieren wäre. Weder das Land noch der Bund haben Mittel für diese Planung vorgesehen. Der Landrat hat im Haushalt 2017 genau 0 EUR für die Neuplanung eingestellt. Von den 30 Millionen EUR, die im Kreis-Haushalt stehen sollen, sind lediglich 1,5 Mio EUR in der Mittelfristplanung enthalten.

Umgekehrt fehlen beim Unterhalt der Straßen dem Landkreis 2 Millionen EUR pro Jahr.

Landrat Christoph Schnaudigel forderte deshalb die Kreisräte auf – im Hinblick auf die vergangenen 15 Jahre des Planfeststellungsverfahrens sehr selbstkritisch – bei den künftigen Entscheidungen zur K3575 keine weiteren falschen Hoffnungen mehr zu wecken.

Die Fraktion Grüne Liste wird ihren Kurs beibehalten und Maßnahmen vorschlagen, die sofort Wirkung zeigen.

Daher beantragen wir über folgende Punkte zusätzlich zum Beschlussvorschlag abzustimmen. Sie sind bewußt als Forderung formuliert, weil der Landkreis den Anwohnern der B3 lange genug falsche Hoffnungen geweckt hat.

1) Die Gemeinde Bad Schönborn fordert das Landratsamt auf, Tempo 30 im Ortsteil Mingolsheim durchgehend einzuführen. Dazu dürften die Verkehrsmessungen des Verkehrsgutachters ausreichen.

2) Die Gemeinde Bad Schönborn fordert das Landratsamt auf, regelmässige Kontrollen der Geschwindigkeit entlang der B3 in Mingolsheim und Langenbrücken durchzuführen. Das Landratsamt wird um eine Stellungnahme gebeten, wieso eine stationäre Radarkontrolle an der B3 in Mingolsheim nicht möglich ist. Stefan Wammetsberger hat in Anwesenheit von Herrn Bohner auf die jüngsten Tempomessungen hingewiesen.

3) Die Gemeinde Bad Schönborn fordert das Landratsamt auf, regelmässige Kontrollen des LKW-Durchfahrtverbots entlang der B3 in Langenbrücken durchzuführen.

4) Die Gemeinde Bad Schönborn fordert das Landratsamt auf, Tempo 70 entlang der bebauten Gebiete an der B292 einzuführen.

5) Die Gemeinde Bad Schönborn fordert das Landratsamt auf, über das Regierungspräsidium im Sinne einer Lärmsanierung den von Lärm geplagten Anwohnern einen passiven Lärmschutz anzubieten.

6) Die Gemeinde Bad Schönborn fordert das Landratsamt auf, bei zukünftigen Straßensanierungen innerorts Flüsterasphalt einzusetzen.

Vor dem Beschluss gilt es aber, die offenen Fragen in einer Beratung im dafür vorgesehenen Ausschuss für Umwelt und Technik (AUT) zu klären. In unserer Hauptsatzung ist seit 2003 im Artikel 7 Absatz 3 geregelt:

Angelegenheiten, deren Entscheidung dem Gemeinderat vorbehalten sind, sollen dem beschließenden Ausschuss zur Vorberatung zugewiesen werden. Auf Antrag des Vorsitzenden oder eines Fünftels aller Mitglieder des Gemeinderats sind sie dem beschließenden Ausschuss zur Vorberatung zu überweisen.

Daher haben wir mit den Stimmen der SPD-Fraktion dafür gesorgt, dass der AUT sich mit den offenen Fragen befasst und sich möglicherweise doch noch auf einen gemeinsamen Beschlussvorschlag einigt. Es besteht kein Zeitdruck: der Verkehrsplaner hat noch keinen Schlussbericht verfasst, das Landratsamt noch keine Aussagen zur Finanzierung erhalten und das Amt für Straßen hat auch nach 17 Jahren Planung und Dutzenden von Gutachten noch keine gerichtsfeste Planung erstellt. Der Landrat rechnet mit nächsten Schritten frühestens Mitte 2017.

Wer dies als „Farce“ oder „unwürdiges Vorgehen“ bezeichnet, zeigt wenig Respekt vor unserer Hauptsatzung und Gemeindeordnung (fx/ju).