Gemeinschaftsschule in der Praxis – auch in Bad Schönborn?

Wohin geht die Reise für die Werkrealschule und die Realschule in Bad Schönborn

„Ich habe seit Jahren von so einer Schule geträumt!“ bekannte Gymnasiallehrerin Jutta Zangl beim Stammtisch zum Thema „Schule“ des Grünen Ortsverbands Bad Schönborn am Dienstag. Jutta Zangl ist Teil eines gemischten Team von sechs Lehrern, welche die fünften Klassen der neuen Gemeinschaftsschule Karlsruhe-Grötzingen unterrichten. Es sei interessant zu beobachten gewesen, wie manche Schüler mit einer „Ich kann sowieso nichts“-Mentalität innerhalb von wenigen Wochen Selbstbewusstsein und Lerneifer entwickelt hätten, erklärte sie den diskussionsfreudigen Stammtisch-Teilnehmern.


Eine Gemeinschaftsschule lege Wert auf individuelle Kompetenzentwicklung. Wichtig sei eine Mischung aus Schülern mit unterschiedlichen Stärken und Schwächen. Besonders die guten Schüler profitieren laut ihrer Beobachtung viel von den Fördermöglichkeiten, die das Lernen nach unterschiedlichen Geschwindigkeiten anbiete. Sie müssten sich nicht mehr wie in anderen Schulen an das Durchschnittstempo anpassen, sondern könnten in der gleichen Zeit weit mehr Inhalte lernen. Schwächeren Schülern können sie Vorbild sein. Indem sie anderen etwas erklären, festigen sie ihr eigenes Wissen umso besser.

Aber auch Kinder mit Down-Syndrom bereichern die Lerngemeinschaft. „Es ist schön zu beobachten, wie unsere Kinder mit den Schülern mit Behinderung im Alltag umgehen.“, so Jutta Zangl. Das genaue Gegenteil also zu einer „Einheitsschule“. Außerdem sei die Behauptung Unsinn, die Schüler würden vereinsamen, weil sie ständig selbstständig arbeiten müssten. Auch an einer Gemeinschaftsschule gebe es Phasen mit Frontalunterricht, Gruppen- und Partnerarbeiten und viele gemeinsame Aktivitäten.

Die zusätzlichen Stunden über die eine Gemeinschaftsschule im Unterschied zu einer Realschule verfügen, würden hauptsächlich für den Ganztagesbetrieb von 8 bis 16 Uhr benötigt. Die Eltern der Fünftklässer seien dadurch deutlich entlastet, im Vergleich zu Eltern von anderen Schulen. Diese müssten täglich ihre Kinder bei den Hausaufgaben betreuen oder gar zum Nachhilfeunterricht schicken. Der Klassenteiler sei nicht so günstig, wie es sich manche vorstellten: die Grötzinger Schule hat 3 Lerngruppen mit je 26 Schülern.

Für den Erfolg einer Gemeinschaftsschule brauche es das Engagement der Lehrer, Unterstützung durch Eltern und einen gewissen Anteil an lernstarken Schülern. Daher sei sie kein Patentrezept, um einfach so eine Werkrealschule vor Ort „zu retten“.

Die anwesenden Eltern von Kindern aus der Real- und Werkrealschule aus Bad Schönborn zeigten sich angetan von den Möglichkeiten, die eine Gemeinschaftsschule anbietet. Die Werkrealschule in Bad Schönborn ist durch den Antrag der Gemeinde Kronau in Zugzwang gekommen. Der Gemeinderat von Kronau hatte im März einstimmig beschlossen zum Schuljahr 2014/15 eine Gemeinschaftsschule zu beantragen. Auch St. Leon-Rot und Kraichtal werden diesen Schultyp beantragen. Die Gesamtlehrer- und die Schulkonferenz der Michael-Ende-Schule Bad Schönborn hätten sich im Juni eindeutig für eine Gemeinschaftsschule am Standort Bad Schönborn ausgesprochen, so die anwesenden Elternbeiräte. Das Konzept werde aktuell von Rektor Werner Köhler sowie von Lehrern und interessierten Eltern entwickelt. Im Juli soll es im Gemeinderat entschieden werden. Bis zum 1. Oktober bleibe noch Zeit den Antrag beim Kultusministerium einzureichen. Die Schulbehörde würde dann bis Februar 2014 über die Anträge entscheiden.

Kritisch sah Jutta Zangl für die Schulentwicklung, dass die Realschule Bad Schönborn sich nicht beteiligt. Damit würde es für die neue Gemeinschaftsschule schwierig werden, lernstarke Kinder anzuziehen. Die Realschule habe sich eindeutig gegen eine Gemeinschaftsschule ausgesprochen. Wichtige Gründe seien der drohende Wegfall der bilingualen Klassen, der Bläserklasse, sowie die Sorge vor einem Rückgang des Leistungsniveaus.

Besorgt war die Grüne Kreisrätin Birgit Rösner über die fehlende regionale Schulentwicklung. Eine Einschätzung, die alle Anwesenden teilten. Der dadurch entstandene Wettbewerbsdruck zwischen den Gemeinden sei wenig förderlich, um die Investitionen in die Bildung bestmöglich anzulegen.

Der Grüne Ortsverband bedankt sich herzlich bei Jutta Zangl für den anschaulichen Praxisbericht aus der Gemeinschaftsschule, sowie bei Claudia Maciejewski und Torsten Thal für die aktuellen Berichte aus der Werkrealschule sowie der Realschule Bad Schönborn.