Für mehr Bürgerbeteiligung und für die Bürgergesellschaft

Winfried Kretschmann tritt für eine Politik des Gehörtwerdens und für die Bürgergesellschaft ein. Seine Grundsatzrede hat zu sehr positiven Reaktionen geführt. Die Politik solle auch auf „die Anderen“ hören. „Alternativlos“ – das Unwort des Jahres 2011 –  führe zu Vertrauensverlust in die Politik. Winfried Kretschmann zieht drei Schlüsse aus den Erfahrungen von Stuttgart 21:

  1. Mehr Parlament: die erste Gewalt im Staat müsse wieder führende Institution werden. Unter schwarz-gelb sei das Parlament zu einem Anhängsel der Regierung geworden (siehe z.B. auch der EnBW Aktienrückkauf). Das Durchwinken von Vorlagen ohne Überprüfung und das Abwinken von Alternativen mache aus dem „Hohen Hause“ ein niedriges Haus. Das wollten die Grünen ändern.
  2. Mehr Demokratie: in einer aufgeweckten und aufmümpfigen Gesellschaft gäbe es keine ernsthaften Argumente den Bürgern mehr Mitsprache vorzuenthalten. Direkte Demokratie bedeute auch immer sich mit Alternativen seriös auseinanderzusetzen.
  3. Neue Formate der Bürgerbeteiligung: Interessensgruppen und Lobbies hätten besten Zugang zum Parlament während für die Bürgergesellschaft nur noch „Trampelpfade“ übrig blieben. Wichtig sei, dass die Bürger auf gleicher Augenhöhe argumentieren könnten und nicht wie wir es auch in Bad Schönborn im Planfeststellungsverfahren erleben konnten: die Bürokraten hocken oben und die Bürger unten als Bittsteller.

Bürgerbegehren sollen deshalb nicht mehr an bürokratischen Hürden scheitern. Seit 1974 sind Volksbegehren im Land möglich: in 37 Jahren gab es im Land aber auf Grund der zu hohen Hürden keine einzige Initiative… Das wollen die Grünen ändern, indem Fristen verlängert oder die benötigten Unterschriftenzahlen gesenkt werden.

Bürgerbegehren sind auf Kreisebene immer noch nicht möglich. Die Grünen wollen Bürgerbegehren und -entscheide auf Landkreisebene möglich machen.

Die direkte Demokratie soll auch auf Gemeindeebene gestärkt werden, indem z.B. der bisher geltende Ausschlusskatalog abgeschafft wird.

Und was macht die Noch-Regierungspartei? Hat sie was aus Stuttgart 21 gelernt? Der Innenminister kündigt letzte Woche „neue Wege bei Umsetzung von Großprojekten an“. Doch was bedeutet das konkret? Im gesamten Wahlprogramm stehen dazu nur wenige Sätze:

„…Deshalb wollen wir einen Prozess beginnen, in dem wir fundiert und umfassend über neue Formen der Bürgerbeteiligung nachdenken. Die CDU wird dazu im neuen Landtag eine Enquêtekommission vorschlagen. Wir wollen jenseits von Wahlkampf und politischem Tagesgeschäft eine ehrliche Diskussion zur Zukunft unserer parlamentarischen Demokratie führen. Dazu wollen wir Bürger, Wissenschaftler und Abgeordnete aller Parteien einladen. … (Zitat aus dem Regierungsprogramm)“

Windelweicher kann man es in einem Wahlprogramm (!) kaum formulieren. Mehr Bürgerbeteiligung ist von schwarz-gelb also nicht zu erwarten. Auch bei diesem Thema ist der Rückwärtsgang eingelegt worden.